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#4: Kunst ist in uns

Das Foto ist leider ein Fake: Ich spiele nicht mehr auf meinem Flügel, das tun andere. Eine meiner Ausdrucksformen seht ihr auf den Bildern an der Wand.

„Mein Kind muss ein Instrument spielen, egal welches.“

Wirklich?!

Das ist noch immer eine weit verbreitete elterliche Vorstellung in unserem Verwandten- und Freundeskreis und meiner Meinung nach ein überdenkenswerter, weil letztendlich ziemlich engstirniger und pseudo-künstlerischer Anspruch an das eigene Kind.

Vor Jahren war ich selbst mit dem hausgemachten Problem konfrontiert: „Natürlich“ sollten meine Kinder ein Instrument lernen, aber mein einer Sohn hatte keine Lust und der andere hatte weder Lust noch Talent, das tägliche Üben war ein einziger K(r)ampf. Also war ich gezwungen, dieses ungeschriebene, bildungsbürgerliche Gesetz zu überdenken. Was hat der obligatorische Flöten- und Klavierunterricht eigentlich bei uns drei Schwestern bewirkt? Die erste hat viele Talente, aber Musik gehört nicht dazu, die zweite hatte musikalisches Talent, aber so wenig Lust, dass sie das Klavier nach dem Abi praktisch nicht mehr angefasst hat, die dritte wechselte viermal das Instrument, spielt heute ein bisschen Gitarre und auf dem Schrank meiner Eltern staubt ein Hackbrett ein. Eine magere Ausbeute für jahrelanges Rumgenörgel, viel investiertes Geld, unmotiviertes Geklimper, genervte Eltern und frustrierte Musiklehrer*innen.

Ach, komm schon!

Wie wäre es dann wenigstens mit zwei Jahren Unterricht in einem Instrument, das mein Kind selbst wählen darf? So lernt es Noten, Akkorde, Tonarten und Musikrichtungen. All das lernt es allerdings auch im schulischen Musikunterricht. Es sagt ja auch kein Elternteil: „Mein Kind muss auf jeden Fall zwei Jahre irgendeine Maltechnik erlernen und jeden Tag ordentlich üben – Öl, Pastell, Kreidezeichnung, egal – Hauptsache, es kann dann malen.“ Nein, denn dafür gibt es ja den Kunstunterricht. Ja, was denn dann?

Eine Runde „Klimperkiste“ (jedes Instrument wird eine Stunde aktiv ausprobiert) für den Nachwuchs ist eine gute Sache. Wenn das Kind weitermachen will, toll. Wenn das Kind in der Musik ein leidenschaftliches Ausdrucksmittel findet, großartig. Mein Klavierlehrer hatte damals einige wenige Schüler*innen, die manch schwere Situationen nicht ohne das Klavier überlebt hätten, die jeden Tag zwei Stunden inbrünstig geübt haben. Diese Art von Symbiose spüren wir früh, sie lässt sich aber nicht erzwingen noch ein Leben lang unterdrücken. Und wenn mein Kind Musiker*in werden will? Moment mal, du solltest schön Klavier spielen, aber eine brotlose Kunst als Beruf? So war das nicht gemeint! Und was, wenn das Kind sich für gar kein Instrument begeistern kann? Dann lernt es eben keins. Schade für die Musiklehrer*innen, die sich darüber beklagen, dass kaum noch ein Kind ein Instrument spielt, aber definitiv gut für den Rest, denn Musik ist nur EINE sinngebende Kunstform von vielen,

EINE Ausdrucksform von vielen

Es gilt also, eine andere Kunstform für mein Kind zu finden. Vielleicht will mein Kind lieber zeichnen? Findet seine Leidenschaft im Schauspielern? Liebt das Tanzen? Hat Lust alles, was ihm begegnet, zu fotografieren? Die Gedanken, die es in sich trägt, niederzuschreiben? Seine Gefühle aus sich herauszusingen? Weitergedacht heißt das: Jedes Kind sollte eine Kunstform für sich finden, sie erlernen und praktizieren. Eine Kunstform, mit der es sich ausdrücken, austoben, abreagieren, aufbauen, ergründen und immer wieder neu erfinden kann. Indem wir möglichst viele unterschiedliche Angebote machen, geben wir unserem Kind die Chance, eine passende Kunstform für sich zu entdecken. Die „Klimperkiste“ ist also genauso gut wie der Malworkshop in den Sommerferien und die Schnupperstunde im Kindertanz. Findet unser Kind sein künsterlisches Zuhause, kämpfen wir nicht mehr gegen widerspenstige Faulheit und Lustlosigkeit an, sondern dürfen beobachten, wie unser Kind in einer Kunstform (oder auch mehreren) arbeitet, vorankommt, aufgeht, Sinn entdeckt und versinkt! Ausrufezeichen. Roter Pinselstrich über das ganze Blatt. Spagatsprung mit Verbeugung. Schlussakkord in C-Dur. Schwarz-weiß Foto einer Pianistin, die kein Klavier spielt. Ganz egal – du weißt, was ich meine.

Und du?

Und du? Hast du selbst eine Kunstform gefunden, in der du dich ausdrücken kannst? Wenn ja, welche? Und wenn nein, finde sie! Denn in einem bin ich mir sicher: Natürlich ist nicht jeder Mensch ein Künstler, aber irgendwo da draußen in der Welt gibt es für jeden Menschen eine Kunst – oder besser gesagt: irgendwo in uns drinnen. Kunst ist ein Teil von uns. Kunst gibt uns ein inneres Zuhause.

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